Doch kein genetisches Risiko für Depressionserkrankungen?
Untersuchungen einer Arbeitsgruppe des amerikanischen National Institute of Mental Health finden keine Bestätigung für den vieldiskutierten genetischen Einfluss auf das Depressionsrisiko. Im Jahre 2003 war in einer Forschungsarbeit ein Serotonin-Transporter-Gen identifiziert worden, welches das Risiko, an einer Major Depression zu erkranken, stark erhöht. Dieser Zusammenhang fand sich damals insbesondere bei Patienten, die in den vergangenen fünf Jahren von belastenden Lebensereignissen betroffen waren. Die Studie von 2003 fand damals breiten Anklang und hatte weitreichende Einflüsse auf das Verständnis psychischer Störungen.
Nun veröffentlichte die Arbeitsgruppe um Kathleen Merikangas am NIMH Ergebnisse einer Meta-Analyse, welche die Befunde von 2003 nicht bestätigen. Die Forscher führten eine Meta-Analyse von 14 Replikationsstudien aus den Jahren 2003 bis 2009 mit Daten von 14250 Teilnehmern durch. Zudem reanalysierten sie (u.a. auch unveröffentlichte) Originaldaten aus 10 dieser Studien im Hinblick auf Geschlechtsunterschiede beim Zusammenhang zwischen der Version des Serotonin-Transporter-Gens, belastenden Lebensereignissen und Major Depression. Bei Anwendung der gleichen Definitionen von Studienvariablen und der gleichen Datenanalysemethoden wie in der Studie von 2003 wurde in der aktuellen Meta-Analyse über alle Studien hinweg ein starker Zusammenhang zwischen der Anzahl belastender Lebensereignisse und dem Risiko, an einer Depression zu erkranken, festgestellt. Jedoch zeigte sich für beide Geschlechter kein Zusammenhang zwischen der angenommenen Hochrisiko-Version des Serotonin-Transporter-Gens und einem erhöhten Depressionsrisiko. Hiermit werden einige frühere Reviews, die bereits am genetischen Einfluss auf das Depressionsrisiko gezweifelt hatten, bestärkt.
Die Erbe-Umwelt-Debatte in Bezug auf die Entstehung psychischer Störungen muss nach den neuen Ergebnissen des NIMH wieder neu aufgerollt werden. Es gibt keine haltbaren Befunde für den Einfluss genetischer Faktoren auf das Risiko einer Major Depression; hingegen ist die Bedeutung von Umweltbedingungen erneut wissenschaftlich bestätigt worden.
Originalstudie:
Interaction Between the Serotonin Transporter Gene (5-HTTLPR), Stressful Life Events, and Risk of Depression: A Meta-analysis. Neil Risch; Richard Herrell; Thomas Lehner; Kung-Yee Liang; Lindon Eaves; Josephine Hoh; Andrea Griem; Maria Kovacs; Jurg Ott; Kathleen Ries Merikangas. JAMA. 2009;301(23):2462-2471.
Weitere Infos zur Studie:
www.nimh.nih.gov
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